Lokales

/lokales/konzept-opferschutz-durch-tterarbeit_10_111613717-21-.html/ / 1

Präventionsratsmitglieder der Samtgemeinde Schwarmstedt informieren sich über Projekt “Dunkelfeld” und Pädophilie

Konzept: Opferschutz durch Täterarbeit

Krankheit Pädophilie: Mit diesem Banner wirbt das Präventionsprojekt “Dunkelfeld” für seine Arbeit.red
Krankheit Pädophilie: Mit diesem Banner wirbt das Präventionsprojekt “Dunkelfeld” für seine Arbeit.red
SCHWARMSTEDT - 02. November 2018 - 09:00 UHR - VON REDAKTION

Der Verein Präventionsrat der Samtgemeinde Schwarmstedt befasst sich mit vielen Themen, die durch Vorbeugung - Prävention - verhindert oder zumindest abgemildert werden können. Zum Bereich der Gewaltprävention gehört auch der sexuelle Missbrauch; dazu gibt es im Präventionsrat eine eigene Arbeitsgruppe, die bereits mehrere Fachvorträge und auch das Projekt “Mein Körper gehört mir” nach Schwarmstedt geholt hat. Um sich zu informieren, waren Volker Banschbach und Conny Blankenburg aus der Arbeitsgruppe zu Besuch in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bei Constanze Jacob.

Sie erfuhren, dass es in Niedersachsen schätzungsweise 32.000 Männer gibt, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und die möglicherweise eine Pädophilie aufweisen. Die sexuelle Ansprechbarkeit auf ein vorpubertäres Körperschema bildet sich nach derzeitigem Erkenntnisstand wahrscheinlich bereits im Jugendalter aus; es ist strittig, ob sie verändert werden kann.

Sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche, zum Beispiel durch direkten körperlichen Kontakt oder indirekt durch die Nutzung oder die Herstellung von Missbrauchsabbildungen im Internet (sogenannte Kinderpornografie) zu verhindern, ist das Ziel des Präventionsnetzwerks “Kein Täter werden”, das seit 2012 auch in Hannover mit dem Präventionsprojekt “Dunkelfeld” vertreten ist. Bundesweit hat das Netzwerk mittlerweile zwölf Standorte, an denen Betroffenen ein anonymes, kostenloses und unter Schweigepflicht stehendes Therapieangebot zur Verfügung gestellt wird. Dem Motto “Opferschutz durch Täterarbeit” folgend, erhalten die betroffenen Personen, sofern sie die notwendigen Voraussetzungen für eine Therapie aufweisen, Unterstützung, um einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren sexuellen Wünschen und Impulsen gegenüber Minderjährigen zu erlangen, sodass sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, ohne dass die Gefahr von sexuellen Übergriffen auf Kinder und Jugendliche besteht.

Blankenburg und Banschbach erfuhren von Jakob, die als Psychologische Psychotherapeutin an der MHH das Präventionsprojekt Dunkelfeld seit Beginn begleitet, dass die Nachfrage Betroffener nach Therapieplätzen ungebrochen hoch sei. Jedoch könnten in die Therapie netzwerkweit nur Bewerber aus dem “Dunkelfeld” aufgenommen werden, also Personen, die aktuell nicht unter Justizaufsicht (zum Beispiel durch eine laufende Bewährungszeit) stehen und die aus eigenem Bedürfnis heraus den Wunsch nach therapeutischer Hilfe verspüren: “Bei Betroffenen, die aktuell justizbekannt (also aus dem Hellfeld) sind, ist die eigene Motivation fraglich. Das Projekt soll denjenigen vorbehalten bleiben, die aus einer inneren, nicht aus einer äußeren Notwendigkeit heraus Hilfe suchen.”

In Hannover hätten seit 2012 fast 1800 Interessierte Kontakt zum Präventionsangebot aufgenommen. Davon stammten 910 Anfragen aus der unmittelbaren Zielgruppe. Mehr als 310 Betroffene hätten bisher das Angebot mit Beratung, Diagnostik und Therapie ganz oder teilweise in Anspruch genommen. Als große Hürde werde im Flächenland Niedersachsen die zum Teil große Entfernung vom Wohnort der Teilnehmer bis Hannover wahrgenommen. Dies liege zum Teil daran, dass der Projektstandort Hamburg nur Hamburger Bürger aufnehme und daher für Niedersachsen keine Alternative darstelle. Obwohl die Therapie selbst kostenlos sei, seien die Fahrtkosten insbesondere für junge Erwachsene mit geringem Einkommen schwer zu finanzieren, denn die Therapie finde wöchentlich über einen Zeitraum von durchschnittlich anderthalb Jahren statt.

Eine zusätzliche Förderung erhalte das Präventionsangebot “Kein Täter werden” im Rahmen eines fünfjährigen Modellprojekts seit dem 1. Januar 2018 von den gesetzlichen Krankenkassen, sodass die Versorgung der Betroffenen für die kommenden Jahre gesichert sei. Positiv sei, dass nun auch eine anonyme und kostenlose medikamentöse Therapie angeboten werden könne und dass weitere Therapeuten angestellt worden seien, sodass das Therapieangebot erweitert worden sei. “In der Behandlung werden insbesondere Risikofaktoren fokussiert, die am stärksten mit einem möglichen sexuellen Missbrauch zusammenhängen. Solche Risikofaktoren können zum Beispiel missbrauchsbegünstigende Einstellungen beziehungsweise gedankliche Verzerrungen sein”, erläuterte Constanze Jacob. “Jedoch sehen wir Menschen, welche nicht nur potenziell Leiden schaffen, sondern auch selbst Leidtragende sind.” Daher sei es bei “Kein Täter werden” ein weiteres Ziel, mit den Teilnehmern Fertigkeiten zu erarbeiten, ihre Bedürfnisse auf legalem und “prosozialem” Weg zu befriedigen und Lebenszufriedenheit zu erreichen.

Nach persönlichen Erfolgserlebnissen befragt, berichtete Jakob: “Es ist ein tolles Gefühl zu sehen, wie die Teilnehmer in ihrem Leben vorankommen, weil sie alte Verhaltensmuster ablegen können oder sich gegenüber Bezugspersonen, wie ihren Partnerinnen, öffnen.” Sie wünsche sich, dass Menschen mehr über das Thema informiert würden, auch wenn sie nicht betroffen sind. Es sollten weniger pauschale Ablehnung und Hass gezeigt werden, damit sich die Betroffenen trauten, sich rechtzeitig therapeutische Hilfe zu suchen. Denn sie könnten nichts für ihre Neigung, müssten für ihr Verhalten jedoch Verantwortung übernehmen.

Weitere Informationen gibt es unter www.kein-taeter-werden.de. Kontakt zum Standort Hannover ist möglich per E-Mail an Dunkelfeld.Info@mh-hannover.de oder unter (0511) 5328052.

Kommentare

Noch keine Kommentare vorhanden.
Diese Beitragsdiskussion wird moderiert. Die Redaktion behält sich das Recht vor, eingereichte Kommentare zu löschen, wenn diese gegen den Verhaltenscodex verstoßen. Ihr Kommentar sowie Ihr vollständiger Name werden in der Beitragsdiskussion veröffentlicht. Einzelne Kommentare können zur Veröffentlichung in der Walsroder Zeitung verwendet werden.